Kein Sorry

Das Rad des Pickups...

Viel zu lange ist es her. Ein Blog mit alltäglichem Inhalt, israelisch, würzig, lustig. Dabei ist Israel tatsächlich in so vielen Dingen wie kein anderes Land. Ein Mixup von nahöstlichem Temperament, angehaucht von westlichem Humanismus, kraztbürstig, liebevoll, einzigartig.

Folgende Geschichte ist mir vergangene Tage widerfahren; Chaotische Strassenverhältnisse, Parkplatzmangel, Alltag in Jerusalem eben. Eine Freundin und ich wollten soeben den Parkplatz verlassen, Rückwärtsgang rein, es knallt. Ich bin mir sicher, dass ich einen Rückblick vorgängig getätigt hätte. Da stand aus dem Nichts ein schwerer Pickup. Dunkelbraune, schwer lesbare Augen schauten aus dem Fenster dieses schweren Möbels. War dieser Mann nun wütend oder nicht? Höflich entschuldigte ich mich bei ihm. Ich hätte ihn nicht gesehen. Glücklich darüber dass nur mein Auto Schaden genommen und seines heil geblieben ist. Nicht etwa, dass sein Vehickel geglänzt hätte. Beulen, Lackschaden, Flickarbeiten waren nicht zu übersehen. Anscheinend witterte er die Chance, das ein oder andere Problem auf meine Kosten zu reparieren. Wutentbrannt stieg er aus dem Auto. Vermutlich ein Händler der mich absolut genau einschätzen konnte. Sein siebter Sinn verriet ihm, dass ich keine Ahnung hatte wie mir geschieht. Wild gestikulierend, laut schreiend, ich komplett überfordert.

 

...richtete Plastikschaden an an unserem Auto.
unser Engel, ich, unbeteiligter Mann mit Handschuhen und Fahrer

Da stand auf einmal eine Frau. Klein, unscheinbar – aber achtung; Israelin. Mit ruhiger aber forscher Stimme wies sie diesen Mann zurecht. Wenn er sich nicht benehmen möge, rufe sie die Polizei. Schimpf und Schande musste sie sich anhören. Drohungen. Der Engel aus dem Nichts, total unbeeindruckt und gelassen. Sie rufe nun die Polizei. Cool machte sie Fotos von ihm, seinem Rad, meinem Heck, seiner Autonummer… und tippte die Nummer der Polizei ein. Eine wirre Situation von totaler Ernsthaftigkeit, Bluff, der Bessere gewinnt. Er stieg ein und raste davon. Ich dachte ich wäre im falschen Film. Unsere Unbekannte, die sich als Miri ausgab, belehrte mich streng aber liebevoll: Kein Sorry. Niemals. (Wobei ich hier anfügen muss, dass dies nicht für die Israelis selbst gilt. Denn ein Sorry, oder eine Entschuldigung signalisiert deine Schwäche und du hast sofort zig Hände und Helfer zur Seite. Doch leben in diesem Land noch andere Nationalitäten.)

 

Zwei Tage später, man glaubt es kaum, stehe ich an einem Rotlicht. Alleine. Etwas spät abgebremst, war etwa die Hälfte meines Autos bereits über der weissen Linie am Boden. Viel Bremsweg für den, der nach mir kommt. Hat dennoch nicht gerreicht. Es knallt. Mein erster Gedanke, fast zeitgleich mit dem Aufprall: KEIN SORRY! Möglichst unbeeindruckt also stieg ich aus. Ein junger Mann, vermutlich anfang oder mitte 20iger, komplett genervt. Ich fragte ihn ob es ihm gut geht. Seine Front war ordentlich eingedrückt. Er zuckte mit den Schultern. Versuchte mit blossen Händen diese verbogene Stelle etwas zurecht zu biegen. Eisernes Schweigen. Kein Sorry. Er wusste, dass nun alles an meinem Entscheid hängt.  Wenn ich die Polizei rufen würde, wäre auch ein Docktor notwendig – Protokoll wegen. Meine Hecktüre hatte einen winzigen Hick. Ich könnte eine komplett neue Türe einfordern – auf seine Kosten. Ich fragte ihn nochmals, fühlst du dich wohl, geht es dir gut? Kopf nicken, mehr war nicht drin. Ich stieg ins Auto. Fall erledigt.

 

 

...und Tschüss. Mirj hat gewonnen.

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